LESEPROBE

Leseprobe #1

Das Fatale an der Geld-Orientierung ist die Tatsache, dass sie jedes Handeln unter das Gesetz der Reziprozität, des Gegengeschäftes, stellt. Alles, was man tut, wird unter dem Gesichtspunkt geprüft: Bekommt man direkt oder indirekt dasselbe oder, besser noch, mehr zurück? Die Generosität stellt den natürlichen Egoismus des Menschen nicht infrage, der in Gestalt der Selbstbehauptung und Selbstverwirklichung die Wirtschaft und das Wohlergehen der Menschen befördert und auch die Entwicklung zur Demokratie wesentlich vorangetrieben hat. Generosität ist ein Denken und Handeln in größeren Dimensionen, sowohl zeitlich wie räumlich wie inhaltlich. Sie hat ihren Platz zwischen dem kleinlichen Aufrechnen des Monetären und dem sich ins Uferlose verlierenden Altruismus.

Im Begriff Generosität schwingt das Wort Gattung und auch Generation mit, und in der Tat impliziert es eine Haltung, die sich auf eine Reziprozität in einem ganz weiten Umkreis erstreckt.

Man gibt der nächsten Generation, weil man von der vorherigen empfangen hat, man gibt dem anderen, ohne von ihm direkt etwas anderes zu verlangen, als dass er seinerseits an andere weitergibt. So entsteht eine Gesinnung des Helfens und Zukommenlassens, bei der man nicht mehr reziprok und nachkontrollierbar, sondern nur noch anonym, aber zufriedenstellend das zurückbekommt, was man selbst in die Gemeinschaft investiert hat.

Die Gesinnung der Generosität trägt der Tatsache Rechnung, dass die individuelle Selbstverwirklichung, die große Errungenschaft der Moderne, nur in der Gemeinschaft und nur in der Generationenreihe zu verwirklichen ist. Sie ist in gewisser Weise selbst auch eine Spielart des Egoismus, aber eben die eines aufgeklärten Egoismus. Dieser gibt von sich aus, damit eine Gemeinschaft entsteht, in der man selber leben möchte.

Leseprobe #2

Generosität ist keine totale Absage an den Egoismus. Die Beziehung zwischen den beiden Verhaltensweisen ist nicht die eines fundamentalen Gegensatzes, wie man das für das Verhältnis zwischen Egoismus und Altruismus annehmen muss. Es ist mehr eine Art angemessener Balance, nicht einer Unterdrückung des einen durch die andere.

Man könnte die Generosität als eine Art „abgebremsten“ Altruismus bezeichnen, der sich in einer Mentalität der Fülle entfaltet. Das bedeutet aber nicht, dass materielle Fülle, gar ein Überfluss zu den Grundlagen und unbedingten Voraussetzungen der Generosität gehören. Natürlich erleichtert ein materieller Überfluss generöses Handeln, aber so wie er es nicht zwangsläufig hervorbringt – der Geiz und die Habgier der Reichen sind als Gegenbeispiel allzu bekannt – kann Generosität auch in materieller Beschränktheit stattfinden, wenn nur eine geistige Fülle, eine angemessene Distanz zum Besitz vorhanden ist.

Fülle lässt sich nicht materiell bestimmen; sie ist ein Produkt der Vorstellungen und Einstellungen des Menschen zu dem, was er hat und was er braucht. Entsprechend vielfältig sind Motivationen und Akte der Generosität. Sie durchlaufen ein großes Spektrum, das vom Verschenken und Verschwenden des Überflüssigen, dem großzügigen Teilen und Abgeben bis zum Nicht-Brauchen, Nicht-Bedürfen und Entbehren-Können reicht.

Ein Akt der Generosität ist ein selbst gesetztes Gebot, das sich über den ursprünglichen egoistischen Drang hinwegsetzt und sich damit einen eigenen Freiraum verschafft. Er führt heraus aus der Enge und den Grenzen des eigenen Ichs und erweitert die Persönlichkeit durch die Beziehung zu der anderen Person. Generosität befreit den Menschen aus der Beschränktheit der Reziprozität und eröffnet eine Dimension, in der die Gesetze der Arithmetik, die das kleinliche Rechnen leiten, nicht mehr gelten, ja sich umkehren, insofern ein Weniger an Besitz ein Mehr, eine Bereicherung der eigenen Persönlichkeit mit sich bringt.

Generosität ist aufgeklärter Egoismus, indem er uns in größeren Räumen denken und handeln lässt, begründet in einer Reziprozität, die sich auf ein ganzes Universum erstreckt. Man gibt dem anderen, ohne von ihm direkt etwas anderes zu verlangen, als dass er seinerseits an andere weitergibt, man gibt der nächsten Generation, weil man von der vorherigen ohne Gegenleistung empfangen hat.

Die Generosität verfolgt kein bestimmtes Ziel, aber sie wird getragen von einer Vision: eine Gemeinschaft zu schaffen, in der es sich lohnt zu leben. Durch das wechselseitige Geben und Nehmen entsteht eine Gesinnung des Helfens und Zukommen-Lassens, bei der man nicht mehr reziprok und nachkontrollierbar, sondern nur noch anonym und befriedigend das zurückbekommt, was man selbst in die Gemeinschaft investiert. Vom Egoismus monetärer Prägung unterscheidet sie sich darin, dass sie nicht verlangt, sondern erwartet, nicht rechnet, sondern genießt, nicht trennt, sondern bindet, nicht abkühlt, sondern erwärmt.


Inhaltsübersicht

Generosität - für einen aufgeklärten Kapitalismus

Kapitel 1

Eine neue Aufklärung

Kapitel 2

Der prekäre Zustand unserer Zivilisation

Kapitel 3

Die Geschichte der Menschheit als Aufstieg

Kapitel 4

Der Preis des Fortschritts

Kapitel 5

Der Sinn des Lebens oder Sinn in der Sinnlosigkeit

Kapitel 6

Der „Übermensch“ oder das „Fortschritts-Gen“

Kapitel 7

Egoismus und Gemeinschaftsgeist

Kapitel 8

Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – das unerfüllte Versprechen

Kapitel 9

Entstehen einer neuen Moral

Kapitel 10

Eine Ethik für eine post-kapitalistische Gesellschaft

Kapitel 11

Generosität

Kapitel 12

Generosität als Grundlage einer gesellschaftlichen Moral

Kapitel 13

Eine Kultur der Generosität in der kapitalistischen Gesellschaft

Kapitel 14

Generosität als Lebenskunst

Schlussbetrachtungen

Für einen aufgeklärten Egoismus

Werner Peters hat mit „Generosität – Für einen aufgeklärten Egoismus“ ein ausgesprochen mutiges Buch geschrieben. Er analysiert nicht nur die Ursachen und den Verlauf der Krise, sondern entwickelt Lösungen. Alte Ideologien wie der grandios gescheiterte, orthodoxe Kommunismus haben sich überholt. Aber auch der vom Neoliberalismus entfesselte Kapitalismus kann keine Zukunftsoption sein. Peters sieht das Grundproblem in der fehlenden Ethik des Kapitalismus, der sich alleine durch seine vermeintliche Effizienz rechtfertigt. Die jüngste Krise zeigt nun jedoch: Das Versprechen vom „Wohlstand für alle“ lässt sich nicht mehr halten. Im Gegenteil: Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander. Werner Peters Idee ist eine ernstzunehmende Grundlage für den Diskurs über eine bessere Gesellschaft, an der jeder Einzelne mitwirken kann.

Paperback · 232 Seiten · 19,90 € · ISBN: 9-78-3923838-71-4

„Mit seiner Einführung in die Tugend der Generosität leistet Werner Peters einen bedeutsamen Beitrag zur überfälligen Theorie der Bürgergesellschaft.“ Prof. Dr. Bernd Guggenberger

Zum Autor:

Dr. Werner Peters, Jahrgang 1941, geboren in Düsseldorf. Er studierte Altphilologie und Philosophie in Tübingen und Bonn, Abschluss mit der Promotion zum Dr. phil. Im Jahre 1967.

Anschließend langjähriger Studienaufenthalt in den USA, u.a. an der Harvard Universität und als Assistent im US-Kongress, Washington. Nach Rückkehr aus den USA von 1970 bis 1972 politischer Referent in der Bundesgeschäftsstelle der CDU. Danach als selbstständiger Politikberater tätig. Seit 1983 Inhaber des Künstlerhotels Chelsea und des Café Central in Köln. Dort veranstaltet er regelmäßig philosophische Veranstaltungen („Philosophie im Central“). 1992 veröffentlichte er das Buch „The Existential Runner – Über die Demokratie in Amerika“ („Society on the Run – An European View of Life in America“, USA 1996). 2007 das Buch „Rätsel Amerika – Warum Amerikaner ganz anders sind“.

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